Von Claudia Aldinger | 5. April 2022
Von der einfachen Tabelle zum professionellen Customer-Relationship-Management: Seit zehn Jahren nutzen Wirtschaftsförderungen aus ganz Deutschland das sogenannte "WiFöLab" der Hochschule Harz. Hier können sie IT-Anwendungen testen und sich austauschen. Das Angebot der Verwaltungswissenschaften trifft einen wichtigen Punkt auf dem Weg zur Digitalisierung.
Tatsächlich stellte das Team um Prof. Jürgen Stember 2012 in einer Umfrage fest: Die meisten Wirtschaftsförderungen speicherten ihre Daten in Zeilen und Spalten von Tabellenkalkulationsprogrammen. "Zwar stehen Wirtschaftsförderungen nicht unmittelbar unter Druck, ihre Prozesse zu digitalisieren, aber gerade hier bietet es sich an", sagt Emanuel Hesse. Er ist langjähriger Mitarbeiter des Fachbereichs Verwaltungswissenschaften und hat das WiföLab mit aufgebaut.
Mit "Druck" meint er unter anderem das Onlinezugangsgesetz (OZG), das Bund, Länder und Kommunen dazu verpflichtet, bestimmte Leistungen auch digital anzubieten. Dafür leben Wirtschaftsförderungen umso mehr von ihrem Servicegedanken. Nur wenn die Unternehmen gute, effiziente und schnelle Dienstleistungen erfahren, arbeiten sie mit den Verwaltungen zusammen. Das zeigte auch die Dissertation von Dr. André Göbel ("Verwaltung als Standortfaktor"), der ebenfalls am Aufbau des Labors beteiligt war.
"Wirtschaftsförderungen sollten die Historie ihrer Kunden, in der Regel sind das Unternehmen, gut kennen und Exposés vorhalten", erklärt Emanuel Hesse, "sodass jeder Mitarbeiter immer auskunftsfähig ist und bestenfalls schnell reagiert werden kann." Dafür seien sogenannte CRM-Systeme, mit denen sich eine "Customer Relationship" managen lasse, ideal. Diese waren den Verwaltungswissenschaftlern der Hochschule Harz bereits 2012 aus früheren Forschungsprojekten zum Thema E-Government vertraut. Und so beschlossen sie, Nutzer und Anbieter der Software auf dem Campus in Halberstadt enger zusammenzubringen.
Das Team um Prof. Jürgen Stember baute Labore auf, ausgestattet mit den neusten IT-Lösungen für Wirtschaftsförderungen. Dafür gibt es verschiedene Anbieter in Deutschland. Mit den wichtigsten arbeitet die Hochschule Harz zusammen. "Im Grunde haben wir einen Showroom, in dem alle Fragen auf den Tisch kommen", erklärt der heutige Laborleiter Emanuel Hesse. Ein Termin im WiFöLab erspare es den Anwendern, sich mit allen IT-Lösungen und Anbietern einzeln auseinanderzusetzen. Sie können die Software direkt testen und haben zusätzlich eine neutrale Perspektive: "Natürlich stellen wir auch unser Wissen und unsere Erfahrungen zur Verfügung", so Hesse über den Anspruch des Labors, das sich seit seiner Gründung sukzessive inhaltlich und formal erweitert habe.
Wie viele Wirtschaftsförderungen nach einem Termin im WiFöLab eine der Software-Lösungen eingeführt haben, ist nicht sicher. Das zu dokumentieren wäre sehr aufwändig, zumal sich die Einführungsprozesse in der Regel über einen langen Zeitraum hinziehen. Allerdings verzeichnet das WiFöLab eine steigende Zahl von Anwendern: rund 100 waren es Anfang 2022. Ein schönes Geschenk zum zehnjährigen Jubiläum. Zwei Wirtschaftsförderungen, die das Hochschul-Labor von Beginn an genutzt haben, kommen aus Halberstadt und Kaiserslautern. So würden sie seinen Nutzen beschreiben:
Jörg Willeke
⇒ Fachbereich Wirtschaft/Stadtplanung/Kultur von Halberstadt:
"Aus Sicht eines Wirtschaftsförderers ist das Labor – und die sich darum rankenden Themen und Inhalte – zukunftsrelevant, da sich durch diese Einrichtung auch stetig neue Sichtweisen zum Thema Wirtschaftsförderung ergeben. Stichwort Wissenstransfer. Kurz und gut: Das Labor hat aus meiner Sicht einen hohen Nutzen für die tägliche Arbeit." Klick zum vollständigen Interview
Matthias Vogelgesang
⇒ Wirtschaftsförderungsgesellschaft Stadt und Landkreis Kaiserslautern:
"Das WiFöLab ist einzigartig im deutschsprachigen Raum. Es bietet in Zusammenhang mit den zahlreichen Veranstaltungen, Publikationen, Projekten und Netzwerken der Hochschule Harz die ideale Basis für eine erfolgreiche Wirtschaftsförderungstätigkeit." Klick zum vollständigen Interview
Die Nutzung des auch über KAT-Mittel aufgebauten WiFöLab ist für Wirtschaftsförderungen kostenlos. Einzige Bedingung: Sie erklären sich bereit, an einer jährlichen Befragung der Verwaltungswissenschaftler teilzunehmen. "Uns ist wichtig, über das Labor möglichst viel Wissen zu generieren, neue Forschungsfragen zu entwickeln und auch Impulse für die Lehre", erklärt Prof. Jürgen Stember mit Blick auf die rund 800 Studierenden an seinem Fachbereich. Projekte, Inhalte und Studien stünden im Wandel der Zeit: angefangen von der „Vermessung der Wirtschaftsförderung“ bis hin zu aktuellen Studien zu Folgen der Coronavirus-Pandemie.
Da der laufende Betrieb des WiFöLab weitgehend über Projektmittel finanziert wird, sind seinen Kapazitäten Grenzen gesetzt. Etwa fünf individuelle Termine für einzelne Wirtschaftsförderungen sind aktuell möglich. "Gern würden wir auch regelmäßig Seminare und Workshops anbieten, aber dafür fehlen uns zurzeit die Ressourcen", sagt Emanuel Hesse, der sich auch um die Homepage, den Podcast, Publikationen und Tagungen des WiFöLab kümmert.
Doch der Aufwand hat sich aus seiner Sicht gelohnt: "Im Laufe der Jahre sind wir zu einer Community gewachsen, mit einem festen Thema und gemeinsam auf der Suche nach passenden Lösungen." Zudem sucht das Team immer wieder nach neuen Möglichkeiten, ihr Thema zu manifestieren. Etwa mit dem bundesweiten Award „Innovative Wirtschaftsförderungen“, den die Wissenschaftler:innen erstmals 2019 in Kooperation mit dem Forum deutscher Wirtschaftsförderer vergaben. Prof. Jürgen Stember: „Mit diesem Projekt wurde unser Ansatz des WiföLAB bundesweit enorm bekannt!“
Prof. Dr. Jürgen Stember, 03943-659400, jstember@hs-harz.de, mehr zu seinen Forschungsschwerpunkten auf seiner persönlichen Seite
Emanuel Hesse, 03943-659480, ehesse@hs-harz.de, zur Homepage des WiföLab
Text und Bilder (soweit nicht anders benannt): Claudia Aldinger
KATalysiert: Das Labor für angewandte IT in der Wirtschaftsförderung (WiföLAB) an der Hochschule Harz wurde insbesondere in seiner Gründungszeit finanziert aus Mitteln des KAT-Kompetenzzentrums für Informations- und Kommunikationstechnologien und unternehmensnahe Dienstleistungen an der Hochschule Harz.
weitere Artikel zum WiFöLab auf dem KAT-Blog:
Wissensmacht: Hochschule und Materna GmbH forschen erneut zu öffentlichen Verwaltungen