30. Juni 2014
Mit der Hilfe von KAT wurden ab 2005 an den sachsen-anhaltischen Hochschulen verschiedene Innovationslabore gegründet. Die meisten dieser Labore sind inzwischen wichtige und nachgefragte Schnittstellen zwischen Forschung und mittelständischer Wirtschaft. In loser Folge stellen wir sie vor.
Irgendwie riecht es nach Teppichhalle, aber wir betreten keinen großen, neonbeleuchteten Markt mit dicken Walzen voller Fußbodenbeläge und Gummibeschichtungen. Wir sind in einem übersichtlichen, lichten Raum mit blanken Arbeitstischen. An der Wand reihen sich verglaste Laboreinheiten, in denen Harze und Härter stehen. Eine große, hohe Fensterfront öffnet den Blick auf den spätherbstlichen Hochschul-Campus in Magdeburg mit seiner konstruktiven Architektur. Hier dreht sich alles um Glasfasern und Kohlefasern. „In diesem Labor geht es um die Entwicklung von Bauteilen mit dem Ziel einer Gewichtsreduzierung und der gleichzeitigen Verbesserung ihrer sonstigen Eigenschaften,“ erklärt Julia Hosse. Sie ist im Industrielabor zuständig für die Versuchs- und Labortechnik.
Das „und“ ist wichtig für das Industrielabor, denn leichter ist mit Kunststoff sicherlich vieles zu machen, aber es gleichzeitig stabiler und beständiger herzustellen, darin liegen hier die projektabhängigen Herausforderungen. Das Industrielabor für funktionsoptimierten Leichtbau ist 2008 an der Hochschule Magdeburg-Stendal mit Mitteln der Europäischen Union und in Kooperation mit KAT gegründet worden. Zu seinen wichtigen Aufgaben gehören die Vernetzung von wissenschaftlicher Kompetenz und wirtschaftlicher Umsetzung.
So betreibt das Labor Grundlagenforschungen und -prüfungen zu Materialeigenschaften der verschiedenen Faserverbundstoffe. Das Labor ist mit verschiedenen Großgeräten, Labortechnik und Maschinen ausgestattet, um beispielsweise unterschiedliche mechanische Prüfungen und Proben sowie optische, mechanische und thermische Analysen durchzuführen. Auch können normgerechte Proben angefertigt und Schadensgutachten erstellt werden. Die Untersuchungen können außerdem durch analytische und numerische Berechnungen verifiziert werden. Geleitet wird das Labor von Prof. Dr.-Ing. Jürgen Häberle, einem ausgewiesenen Pionier in der Erforschung und Entwicklung der Faser-Kunststoffverbunde.
Julia Hosse legt Stoffproben vor, aus denen später mit Hilfe von Harzen und Härtern vielseitige Faser-Kunststoffverbunde werden. Das Glasfasergewebe wird aus winzigen Glasfäden gewebt. Das Kohlenstofffasergewebe ist das Produkt eines im Verkohlungsprozess gewonnen fadenähnlichen Werkstoffes.
Besonders der kohlenstofffaserverstärkte Kunststoff ist mit den geläufigeren Bezeichnung „Carbon“ oder „CFK“ unter Rad- und Motorradbegeisterten inzwischen zu großen Ehren gelangt. Mit ihm verbinden sich Leichtigkeit und neue statische Eigenschaften, die etwa den Fahrradrahmenbau geradezu revolutioniert haben. Auf einem von Professor Häberle entwickelten Fahrradrahmen fuhren beispielswese Sportgrößen wie Erik Zabel ihre Rennen.
Carbon wird inzwischen in vielen unterschiedlichen Bauteilen verwendet und das Industrielabor entwickelt damit innovative Produkte mit mittelständischen Partnern aus der Region.
Es werden erste Ideen auf Machbarkeit und Finanzierungsmöglichkeiten geprüft. Im Labor werden Voruntersuchungen durchgeführt und notwendige Berechnungen erstellt, um dann schrittweise Protoypen zu entwickeln. „Verglichen mit traditionellen Baustoffen wie Metall, Stein und Holz sind die 30-40 Jahre Erfahrungen mit Bauteilen aus Kunststoff noch sehr jung“, erläutert Julia Hosse die vielseitigen Einsatzfelder der Faserverbunde und deren Innovationspotential.
So wurden beispielsweise leichte Zentrifugenrotoren entwickelt, die inzwischen vielfach schwerere medizinische Laborgeräte ersetzen können. Preishonoriert ist die Entwicklung eines Schienenprüfsystems, das inzwischen bei der Deutschen Bahn eingesetzt wird. (vgl. die Projektvorstellung in diesem Newsletter). Die Entwicklung von leichten Naturstein-Glasfassadenelementen steht kurz vor einer ersten Erprobung am Bau.
* Wenn in dieser Pressemitteilung von Wissenschaftlern oder Forschern, Unternehmern, Existenzgründern, Studierenden, Teilnehmern oder Interessenten die Rede ist, sind damit sowohl weibliche als auch männliche Vertreter gemeint.
Labor-Steckbrief Industrielabor Funktionsoptimierter Leichtbau
Standort
Hochschule Magdeburg-Stendal, Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Industriedesign (IWID), Institut für Maschinenbau, Haus 18, Breitscheidstraße 2, 39114 Magdeburg
Ausstattung
Leistungen
Nutzung möglich für
(insbesondere) kleine und mittelständische Unternehmen mit Interesse an Forschungs- und Entwicklungsprojekten sowie Weiterbildung ihrer Mitarbeiter
Abgeschlossene/laufende Projekte/Partner (Auswahl)
Entwicklungen: Leichtbauanhänger in Mischbauweise aus pultrudierten Profilen aus glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK); adaptives Leichtbaurampensystem für Behindertentransportwagen (BTW) und Krankentransportwagen (KTW) unter Nutzung von modernen Materialien aus Faser-Kunststoffverbunden; Leichtbaurotoren für Laborzentrifugen in intelligenter Mischbauweise
Genutzt wurde das Industrielabor bislang unter anderem von diesen Unternehmenspartnern:
Ackermann Fahrzeugbau GmbH, PLR Prüftechnik Linke & Rühe GmbH, Ambulanzmobile, SIGMA Laborzentrifugen GmbH
Kontakt
Prof. Dr. Jürgen Häberle, Laborleiter, Tel.: 0391 – 8 864 966, E-Mail: juergen.haeberle(at)hs-magdeburg.de
Text und Bilder (soweit nicht anders benannt): Steffi Schültzke
Das Industrielabor „Funktionsoptimierter Leichtbau“ wurde ab 2008 mit Hilfe von KAT-Mitteln aufgebaut, um insbesondere der regionalen Wirtschaft Knowhow und Infrastruktur für Innovationen zu bieten. Durch verschiedenste Forschungsprojekte mit der Industrie konnte das Labor sein Profil schärfen.
Heute ist das Industrielabor „Funktionsoptimierter Leichtbau“ ein gefragter Partner unter anderem des Werkzeug- und Formenbaus sowie des Maschinen- und Anlagenbaus.