Interview: Ja, ich forsche

Prof. Ulrike Ahlers: „Ich hole die Projekte, weil ich bestimmte Personen an Bord haben möchte“

Von Claudia Aldinger | 9. September 2017

Ihr Engagement für die angewandte Forschung wird schnell in einer Zahl evident: Mehr als 3 Millionen Euro Drittmittel hat Prof. Ulrike Ahlers seit ihrem Ruf 2008 für die Hochschule Magdeburg-Stendal eingeworben. Aus ihrem Fach – der Baustoffkunde – hat sie an der Hochschule einen Forschungsschwerpunkt mit innovativen Ansätzen, engagierten Wissenschaftler*innen und treuen Unternehmenspartner*innen gemacht.
 

Frau Prof. Ahlers, welches war Ihr erstes Forschungsprojekt an der Hochschule Magdeburg-Stendal?

Das war ein größeres Projekt, in dem es darum ging, wie man Hausmüllverbrennungsschlacke qualitativ so aufwerten kann, dass sie als Gesteinskörnung im Beton verwertbar ist. Es stellte sich heraus, dass ein großer Aufwand betrieben werden müsste, um die erforderliche Qualität zu gewährleisten.  Eine wirtschaftlich umsetzbare Technologie haben wir nicht gefunden, was ich natürlich bedauere.
 

Liefen Ihre folgenden Projekte besser?

Ja, es gab viele, bei denen wir weitaus besser gefahren sind. Auf jeden Fall.
 

Wie kommen Sie zu den Problemstellungen?

Meistens kommen die Unternehmen zu uns, wenn sie ein konkretes Problem haben. Das war auch schon in meiner Zeit an der TU Clausthal-Zellerfeld so, wo ich begonnen habe, mein berufliches Netzwerk aufzubauen. Vor mir standen regelmäßig Unternehmer mit vielen Fragezeichen in den Augen und der Bitte: Könnt Ihr uns helfen?
 

Und konnten Sie?

In der Regel schon. Durch Tagungen und meinen Doktorvater hatte ich schon viele Kontakte zu Kollegen, die mir fachlich weiterhelfen konnten, wenn ich das brauchte. Ich habe auch über unser Institut – das mit seinem Equipment schon viele Möglichkeiten hatte – hinaus geschaut und zum Beispiel Mineralogen um fachlichen Rat gefragt. Dadurch haben sich wieder ganz neue Möglichkeiten etwa für meine Promotion ergeben.
 

Wie wichtig ist für Ihre Arbeit heute, dass Sie viele Jahre in der Industrie gearbeitet haben?

Extrem wichtig, weil ich dabei viele meiner persönlichen Kontakte geknüpft habe, auf die ich heute prima zurückgreifen kann oder leichter an eine dritte Person herankomme. Für die Unternehmen wäre es ein Leichtes, sich an andere Einrichtungen zu wenden. Der persönliche Kontakt und Vertrauen spielen eine große Rolle dabei, dass sie zu uns an die Hochschule kommen. Und: die Praxis war wichtig für meine eigene Persönlichkeitsentwicklung. Wenn man aus der Praxis kommt, kennt man die Zwänge der Unternehmen und geht Themen anders an: Wie bekomme ich etwas kostengünstiger hin? Wie agiere ich mit Firma X Y und einer dritten Firma vielleicht? Welches Projekt lasse ich lieber, weil die Randbedingungen nicht passen? Bei solchen Fragen hilft mir die Zeit aus der Praxis heute sehr.
 

Sie sagen, das Ergebnis Ihres ersten Projekts an der Hochschule Magdeburg-Stendal war eher frustrierend. Sind solche Erlebnisse Antrieb oder Hemmnis?

Sie gehören einfach dazu. Es gibt immer wieder Tiefschläge, von denen Sie sich erholen müssen. Wenn Sie zum Beispiel monatelang an einem Projektantrag arbeiten, ihn rund und gut machen wollen, viele Leute involvieren, den Antrag noch einmal umstricken, also viel Energie aufwenden und dann eine Ablehnung bekommen, müssen sie das erst mal verkraften. Das könnte ich ohne meine Mitarbeiter gar nicht.
 

Wer gehört zu Ihren Mitarbeitern?

Im Baustoff-Labor arbeitet fest ein Laborant, der mich der Vorbereitung des Unterrichts unterstützt. Ansonsten gibt es im Grunde nur immer befristet über Forschungsprojekte angestellte Mitarbeiter. Ich habe Glück, dass einer der wissenschaftlichen Mitarbeiter hier promovieren möchte. Dafür hatten wir schon einmal einen Projektantrag gestellt, für den wir aber eine Ablehnung einstecken mussten. Jetzt versuchen wir es ein zweites Mal.

spc

Wie haben Sie diese Zeit überbrückt?

Das Technologie- und Wissenstransferzentrum konnte uns mit der Vermittlung eines Stipendiums zeitweise unterstützen. Das war in der Situation eine wichtige Hilfe, um meinen Mitarbeiter zu halten. Überhaupt habe ich nicht den Ehrgeiz, Projekte um ihrer selbst willen durchzuboxen. Ich sehe eher bestimmte Personen, die ich an Bord haben möchte – das fängt schon bei den Studierenden an. Also hole ich die Projekte für diese Personen und nicht andersherum. Dass die Arbeitsgruppen im Labor fachlich gut, ambitioniert, harmonisch und damit zuverlässig zusammenarbeiten, ist auch Teil des Vertrauens, das wir bei den Unternehmen genießen.

Wie pflegen Sie Ihre Unternehmenskontakte?

Das ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Zunächst besuche ich Fortbildungsveranstaltungen und Tagungen unter anderem auch zur Kontaktaufnahmen und -pflege. Leider passiert es aber auch, dass ich mich monatelang nicht melde oder versäume, eine interessante Bachelor- oder Masterarbeit zu versenden. Aber es gibt feste Termine wie die Betonkanu-Regatta alle zwei Jahre, zu der ich viele wieder treffe. Zu Projektbesprechungen versuche ich immer, alle an einen Tisch zu holen. In unserem Labor haben wir dazu schöne Möglichkeiten, wo in diesem Jahr auch das Weihnachtsessen mit vielen Projektpartnern stattfindet. Selbstverständlich laden wir die Unternehmen auch zu Bachelor- und Master-Verteidigungen ein, damit sie die Chance haben, ihr Statement abzugeben und man vielleicht gleich die Möglichkeit hat, ein neues Thema aufzusatteln.

Der Deutsche Zukunftspreis ist vor kurzem an einen Carbon-Beton gegangen, der länger haltbar ist und sich mit weniger CO2-Ausstoß herstellen lässt als Stahlbeton. Gibt es (Zukunfts-) Themen, die Ihre Arbeit bestimmen?

Wie gesagt, die Problemstellungen kommen für uns direkt aus den Unternehmen. Aber natürlich spielen auch in unseren Entwicklungen die Themen Beständigkeit und Umweltschutz eine große Rolle, wie zum Beispiel die CO2-Minimierung in der Baustoffherstellung. Auch das Problem der Alkali-Kieselsäure-Reaktion sowie die Frostbeständigkeit von Betonsteinen sind Aufgaben, an denen wir arbeiten und bei denen wir gute Chancen haben, eigene Lösungen vorzulegen.

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Informationen und Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Ulrike Ahlers

Tel.: 0391-886 42 38

E-Mail: ulrike.ahlers@hs-magdeburg.de

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Prof. Ulrike Ahlers hat bis 1991 an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar Silikattechnik studiert. Darunter versteht man die Herstellung von Glas, Keramik und anorganischen Bindemitteln. Sowohl in ihrer Diplomarbeit (zum Thema Zement) als auch in ihrer Promotion an der TU Clausthal-Zellerfeld (zum Thema Rauchgasentschwefelungsgips) setzte sie sich mit materialspezifischen Fragen auseinander. In Clausthal-Zellerfeld betreute sie wissenschaftliche Projekte mit verschiedenen Schwerpunkten.

Während ihrer beruflichen Tätigkeit bei der Heidelberger Baustofftechnik, bei einem Transportbetonunternehmen und später für ein Ingenieurbüro mit dem Schwerpunkt Strahlenschutzbeton beriet sie Firmen beim Kauf von Beton-Produkten, plante und organisierte Aufträge, betreute Transportbetonwerke und überwachte Baustellen.

Mit ihrer Professur für Baustoffkunde an der Hochschule Magdeburg-Stendal verantwortet Prof. Ulrike Ahlers auch das Baustoff-Labor, das sie durch ihre Projekte seit 2008 mit wissenschaftlichem Leben und angewandter Forschung füllt. Für rund die Hälfte der 2016 an ihrer Hochschule vergebenen Deutschlandstipendien hatte sie die Unternehmenspartner gewonnen, die zum Teil auch zu ihren wichtigen Projektpartnern in der Region gehören. Dazu zählen u.a. A.R.T. GmbH Magdeburg, Eurovia VBU GmbH Magdeburg, Ingenieurbüro Lange & Jürries Magdeburg, Niemann Ingenieure GmbH Magdeburg, Schwenk Zement KG, Strabag AG Magdeburg, upi UmweltProjekt Stendal.

Am 16. November 2016 erhielt sie den Forschungspreis der Hochschule Magdeburg-Stendal. Das Preis-Geld hat Prof. Ulrike Ahlers in ein großes Weihnachtsessen mit ihren Mitarbeiter*innen und Partner*innen aus Wissenschaft und Wirtschaft investiert. Am 9. Juni 2017 erhielt einer ihrer Master-Studenten den Preis der Bauindustrie Sachsen-Anhalt.