Hochschule Anhalt

XPlanung: Wie der nationale Daten-Standard um das Modul Landschaftsplanung wächst

Von Claudia Aldinger | 19. Januar 2021

Wie groß ist die Baufläche und wo beginnt die Straße? Wie hoch darf ein Wohnblock werden und ist der Denkmalschutz zu beachten? Korrekte Daten sind die Grundlage von erfolgreichen Bau- und Planungsprojekten. Damit sich alle Projektbeteiligten schneller und ohne den Verlust von Informationen verständigen können, gibt es für den öffentlichen Bereich einen nationalen Standard: XPlanung.

Was ist XPlanung?

Dahinter verbirgt sich ein Daten-Standard, der von Ländern und Kommunen seit 2017 rechtlich verbindlich im Bau- und Planungsbereich anzuwenden und von Auftragnehmern einzufordern ist. Die aktuelle Version 5.3 enthält die Anwendungsschemata Regionalplanung, Flächennutzungsplanung und Bauleitplanung. Für die Landschaftsplanung gab es bislang nur ein Kernmodell, das für die nächste Version zu einem praxisrelevanten Schema entwickelt werden soll. An der Grundlage und Modellierung arbeitet derzeit das Professor Hellriegel Institut e.V. an der Hochschule Anhalt in Kooperation mit der Firma IP SYSCON GmbH. Das Bundesamt für Naturschutz fördert das Projekt mit rund 250.000 Euro.

Verschiedene Sprachen in der Bauleitplanung

Sitzen zwei Menschen in einem Raum und sprechen unterschiedliche Sprachen. Mit diesem Bild könnte man das Grundproblem beschreiben, für das XPlanung erdacht wurde. Geht es darum, Räume zu erschließen oder Flächen zu bebauen, dann sind die verschiedensten Akteure gefragt, wie zum Beispiel: Stadtplaner, Liegenschaften, Wirtschaftsförderungen – der betroffenen Gemeinde und manchmal auch Nachbargemeinde – Interessenvertreter wie Kammern und Bürgervereinigungen, Immobilienbesitzer und Planungsbüros. Ihre Diskussionsgrundlage sind Flächennutzungspläne und Bebauungspläne. 

"Mit XPlanung bleibt ein Baum ein Baum, egal ob er auf dem einen Bildschirm rot erscheint und auf dem anderen grün."

Prof. Matthias Pietsch von der Hochschule Anhalt

Zusätzliche Datenformate durch CAD und GIS

Zwar werden solche Planwerke nach Regeln wie der Planzeichenverordnung erstellt, können aber in ihrer Darstellung sehr unterschiedlich ausfallen. Mit den Möglichkeiten von CAD – also Computer Aided Design – sowie Geoinformationssystemen – kurz GIS – hat sich das Problem eher verschärft: noch mehr unterschiedliche Darstellungsformen und zusätzliche Datenformate. "Mit XPlanung kann ich, egal in welchem Softwareprodukt etwas erstellt wurde, eine Schnittstelle entwickeln, die es ermöglicht, etwas aus dem Produkt A zu exportieren und in Produkt B wieder zu importieren. Im Ergebnis kommt der gleiche inhaltliche Gehalt wieder an", erklärt Prof. Matthias Pietsch von der Hochschule Anhalt. Ein Baum bleibe ein Baum, egal ob er auf dem einen Bildschirm rot erscheint und auf dem anderen grün. 

XPlanung im Landkreis Harz

Erste Erfahrungen mit XPlanung machte Prof. Matthias Pietsch lange bevor er sich beim Bundesamt für Naturschutz darum bewarb, den nationalen Standard um das Modul Landschaftsplanung zu erweitern. Da er seit vielen Jahren auf dem Gebiet Geoinformationssysteme lehrt und forscht, kam 2010 der Landkreis Harz auf ihn zu. Hier stand man immer wieder vor dem Problem, innerhalb kurzer Zeit eine Stellungnahme zu Flächennutzungsplänen schreiben zu müssen. Statt zwei ausgedruckte Pläne händisch durch die Ämter zu reichen, wollte man eine digitale Lösung über ein Portal, das ein IT-Dienstleister bereits entworfen hatte. "Und dann kamen wir ins Spiel mit der Frage, wie man die Daten in dem Portal und zukünftige Ausschreibungen XPlanung-konform digitalisieren kann", so Prof. Matthias Pietsch.

Das Projekt: XPlanung für die Landschaftsplanung

Seit Mitte 2019 arbeitet das Hochschul-Team in enger Kooperation mit der Firma IP SYSCON GmbH an der neuen XPlanung-Version, die auch Landschaftsplaner nutzen sollen. Dazu müssen sie zwei Felder beackern: Die Hochschule definiert die Inhalte, auf denen das neue Modul aufbaut. Dazu gehören Informationen, die hohen rechtlichen Charakter haben und von vielen genutzt werden wie etwa die Planzeichen für die Landschaftsplanung. Das zweite Feld ist die Modellierung dieser Inhalte, also die technische Umsetzung, die das Team von IP SYSCON GmbH anhand konkreter Beispiele vornehmen wird. 

Überzeugungsarbeit beim Expertenrat

Zugpferd des Projektes ist – wenn man so will – der Expertenrat, den Hochschule und IP SYSCON GmbH von ihren Ideen überzeugen müssen. Er war Bestandteil der Ausschreibung des Bundesamtes für Naturschutz. Zu den 25 Mitgliedern zählen sowohl Praktiker aus Verwaltungen und Planungsbüros als auch Wissenschaftler. Wichtig war eine paritätische Besetzung mit Vertretern aus unterschiedlichen Bundesländern, um alle föderalen Unterschiede in dem nationalen Standard einzufangen. 

IP SYSCON GmbH

"Der Erfolg solcher Projekte steht und fällt mit der Akzeptanz in der Praxis", sagt Roland Hachmann, Geschäftsführer der Firma IP SYSCON GmbH, die seit 20 Jahren europaweit IT-Projekte für Verwaltungen und private Unternehmen umsetzt. Dazu gehören vor allem Geoinformationssysteme und Anwendungen im CAFM, also Computer-Aided Facility Management. Forschungs- und Entwicklungsprojekte sind Teil des Geschäftsmodells. "Wir bringen unsere Erfahrungen ein und hoffen gleichzeitig zu partizipieren: Was braucht die Praxis, was sagt die Wissenschaft, was sagt die Politik. Das verschafft uns einen Wettbewerbsvorteil", erklärt Roland Hachmann.

"Der Erfolg solcher Projekte steht und fällt mit der Akzeptanz in der Praxis."

Roland Hachmann, Geschäftsführer der Firma IP SYSCON GmbH

XPlanung im eGovernment

Dass neue IT-Lösungen und neue Standards in der Praxis erstmal Widerstand hervorrufen, hat er in der Vergangenheit oft erlebt: "Es ist mit mehr Aufwand verbunden, weil ich meine Arbeitsweise ändern muss", sagt Roland Hachmann, der dafür nur einen Lösungsweg sieht: die Akteure frühzeitig einbinden und Vorteile aufzeigen, wie mit dem Expertenrat in seinem aktuellen Projekt zur Erweiterung von XPlanung. "Natürlich spielt uns hierbei in die Hände, dass der Daten-Standard schon seit 2017 für öffentliche Plan- und Bauvorhaben rechtlich verbindlich ist", so Hachmann. XPlanung sei in den Köpfen angekommen, Widerstände nicht mehr grundsätzlich. Es sei den meisten klar, dass es jetzt darum gehe, den Standard auf kommunaler Ebene gemeinsam zu gestalten und in die tägliche Praxis zu bringen. 

XLeitstelle in Hamburg: finaler Entwurf

Insofern konnten sich Hochschule und IP SYSCON GmbH mit dem Expertenrat vergleichsweise schnell über Methodik, Vorgehen und Beispielpläne einigen. Strittiger sind die Details: Ein Planwerk in der Landschaftsplanung kann schnell mal 50 einzelne Karten umfassen. "Und jetzt ist die Frage, was muss in den Daten-Standard. Eigentlich ist es eindeutig: am Ende ist es ein Austauschformat und ich muss nur das abbilden, was ich auch austauschen will", erklärt Prof. Matthias Pietsch, der dennoch davon ausgeht, dass bis zum offiziellen Ende des Projekts im Mai 2021 ein finaler Entwurf mit der sogenannten XLeitstelle abgestimmt ist. Hier beim Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung in Hamburg werden seit 2018 alle Neuerungen des Daten-Standards koordiniert. 

Das nächste große Ding: BIM

"Es gibt Bundesländer, die sind vollständig XPlan-abgebildet, und es gibt Bundesländer, die den Standard stückchenweise umsetzen", erklärt Prof. Matthias Pietsch. In Sachsen-Anhalt arbeiten nach seinem Wissen die Landkreise Harz, Mansfeld-Südharz, Stendal, der Saalekreis und auch der Burgenlandkreis mit XPlanung. Konkrete Zahlen, wie weit die Nutzung tatsächlich verbreitet ist, hat selbst die XLeitstelle in Hamburg nicht. "Unabhängig von dem klaren rechtlichen Rahmen, der Druck hin zur Umstellung macht, erkennen aber immer mehr den Vorteil qualitätsgesicherter Daten", so Prof. Pietsch, der dies sowohl auf der Seite von Ländern und Kommunen als auch Planungsbüros und Softwarefirmen beobachtet. Parallel zu XPlanung kommt auf die Branche auch schon das nächste große Ding hin zur Digitalisierung im Baubereich zu: BIM – Building Information Modeling. Die 3-dimensionale Modellierung von Projekten mit Hilfe eines einzigen Datensatzes, an dem alle Akteure arbeiten, hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) für seine Vorhaben ab 2020 bereits als Standard vorgegeben. Eine Frage der Zeit, bis BIM auch für Länder und Kommunen verbindlich wird.

spc

Informationen

Die Geschichte von XPlanung reicht inzwischen etwa 20 Jahre zurück. In einer Umfrage der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung wurde 2003 festgestellt, dass "im Regelfall" keine elektronischen Daten zwischen verschiedenen Akteuren in der Bauleitplanung ausgetauscht werden können, weil der Daten-Standard dazu fehlt. 

Nach jahrelanger Entwicklungsarbeit legte der IT-Planungsrat am 5. Oktober 2017 in seiner Entscheidung 2017/37 fest, dass XPlanung von Ländern und Kommunen beim Austausch von Daten im Bau- und Planungsbereich verbindlich anzuwenden ist. Die Versionen werden regelmäßig aktualisiert, etwa um neue Bestimmungen im Baurecht. Aktuell steht die Version 5.3 zur Anwendung. Mehr zur Historie des Daten-Standards auf den Seiten der XLeitstelle: Quelle: https://www.xleitstelle.de/leitstelle/historiehttps://www.xleitstelle.de/leitstelle/historie

Der IT-Planungsrat ist das politische Steuerungsgremium von Bund, Ländern und Kommunen für Informationstechnik und E-Government: https://www.it-planungsrat.de/DE/Home/home_node.html

 

Text und Bilder (soweit nicht anders benannt): Claudia Aldinger

Kontakt

Prof. Matthias Pietsch arbeitet seit 2004 an der Hochschule Anhalt, seit 2016 in der Professur für Angewandte Geoinformatik und Fernerkundung. Im GIS-Netzwerk engagiert er sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Wirtschaft um die aktuellen Themen bei Geoinformationssystemen.

Tel: 03471-3551140, E-Mail: matthias.pietsch@hs-anhalt.de

zur persönlichen Seite: https://www.hs-anhalt.de/hochschule-anhalt/service/personenverzeichnis/prof-dr-matthias-pietsch.html

 

Roland Hachmann ist Geschäftsführer der IP Syscon GmbH in Hannover. Tel: 0511-8503030, E-Mail: roland.hachmann@ipsyscon.de, zur Firmen-Seite: https://www.ipsyscon.de/start/