Von Claudia Aldinger | 09. April 2015
Ihr erstes Forschungsvorhaben zum Thema „Technikakzeptanz im Alter“ formulierte Prof. Birgit Apfelbaum im Jahr 2010. Damals betrat die Kommunikations- und Sozialwissenschaftlerin vom Fachbereich Verwaltungswissenschaften der Hochschule Harz noch einen Nebenschauplatz einer Debatte, in der es vor allem um den technischen Fortschritt ging. Heute ist klar: Technologien des Ambient Assisted Living (AAL), also altersgerechte Assistenzsysteme, funktionieren nicht ohne soziale Innovation. Fragen der Akzeptanz, Vermittlung und Beratung sind ins Zentrum der sogenannten Mensch-Technik-Interaktion im demografischen Wandel (MTIDW) gerückt. Welche Generationen sich wie von der Anwendung der Informations- und Kommunikationstechnologien überzeugen lassen, beschäftigt Prof. Birgit Apfelbaum in ihren aktuellen Forschungsprojekten.
In einer aufwendigen Studie stellte 2009 das Fraunhofer-Institut fest: AAL-Technologien haben vor dem Hintergrund des demografischen Wandels hohes Marktpotenzial. Ihr Nutzen ist allerdings noch viel zu wenigen, potenziellen Anwendern bekannt. Etwa zur gleichen Zeit richtete die Wernigeröder Wohnungsgenossenschaft eG (WWG) eine Musterwohnung für das altersgerechte Wohnen ein. Wissenschaftlicher Partner der Testwohnung wurde das Projekt KoMoServ (für Koordination und Moderation in Servicepartnernetzwerken der ostdeutschen Wohnungswirtschaft) von Prof. Birgit Apfelbaum. Kern ihrer Forschung war die Befragung aller Mieter. „Das Ergebnis war ein Paradox: Die Mieter hatten Interesse an technischer Unterstützung und Beratung. Die eigene Hilfsbedürftigkeit im Zusammenhang mit dem Altern wurde aber eher verneint“, sagt Apfelbaum.
Die Mieter wollten nicht mit negativen Altersstereotypen identifiziert werden – ein Phänomen, das in der wissenschaftlichen Theorie durchaus bekannt ist. Außerdem zeigte sich, dass die Gruppe der 50- bis 60-Jährigen technischen Innovationen weitaus offener gegenübersteht. Aus den Ergebnissen der Befragung entwickelte Birgit Apfelbaum gemeinsam mit ihrem Team Handlungs- und Kommunikationsempfehlungen für die WWG und deren Netzwerkpartner. „Zurzeit wird die Musterwohnung gut genutzt. Es kommen etwa 2 bis 3 Mieter je Woche zu den Beratungsstunden. Einige Badumgestaltungen, teils gefördert durch die Krankenkassen, sind das sichtbare Ergebnis. Nicht zu vergessen der Imagegewinn“, sagt Christian Linde, Vorstand der WWG, welche den Wissenschaftlern der Hochschule Harz noch heute auch über das Netzwerk „TECLA“ verbunden ist. Ein Teil der AAL-Technologien gehören zum Innovationslabor „Technikakzeptanz“, welches Forscher der Nachrichtentechnik weiterhin nutzen. Und auch die „Silver Clips“ wurden in der Musterwohnung gedreht.
„Mit den Videoclips wollten wir herausfinden, wie man die sogenannten Alterspioniere, also altersgerechte Rollenvorbilder, richtig inszeniert“, erklärt Apfelbaum die durch Crowdfunding finanzierten Filme. Um „Oma Lust auf Tablets oder Mobiltelefone zu machen“, werden diese unter anderem in den Kommunalen Beratungsstellen „Besser leben im Alter durch Technik“ gezeigt. Die Städte Wanzleben-Börde und Halberstadt sind zwei der 22 Kommunen, in denen das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) solche Einrichtungen fördert.
„Wir stellen fest, dass die Entscheidung für ein technisches Gerät stark von Kosten-Nutzen-Abwägungen geprägt ist. Ist ein konkretes Ziel erreicht, stößt die Offenheit schon wieder an ihre Grenzen. Und: es darf sich nicht viel verändern“, berichtet Apfelbaum. Gemeinsam mit ihren Kollegen Prof. André Göbel und Prof. Ulrich Fischer-Hirchert begleitet sie die Arbeit der Kommunalen Beratungsstellen durch wissenschaftliche Befragungen. Die Ergebnisse dürften für den nächsten BMBF-Zukunftskongress Demografie im Juni von großem Interesse sein, der seit 2013 unter dem Zusatz „Technik zum Menschen bringen“ firmiert.
Partner: Wernigeröder Wohnungsgenossenschaft eG (WWG), Forscherteam um Prof. Birgit Apfelbaum von der Hochschule Harz und Netzwerkpartner „TECLA“ mit Prof. Ulrich Fischer-Hirchert; gefördert durch KAT-Mittel
Zeitrahmen: 01/2011 bis 12/2013
Ergebnis: Handlungs- und Kommunikationsempfehlungen für die WWG, Buchpublikation Birgit Apfelbaum & Thomas Schatz (2013): Die Wohnungswirtschaft als Netzwerkakteur der kommunalen Demografiestrategie. Altersgerechte Erweiterungen des Angebotsportfolios als Schlüssel zu Mieterbindung und -gewinnung. Ostbevern.
Partner: Application Lab der Hochschule Harz (Akquirierung der Finanzierung durch Crowdfunding); Medieninformatiker der Hochschule Harz (Produktion); Wernigeröder Wohnungsgenossenschaft eG (stellte Musterwohnung als Innovationslabor „Technikakzeptanz“ für Dreharbeiten bereit); Forscherteam um Prof. Birgit Apfelbaum (wissenschaftliche Begleitung)
Zeitrahmen: 11/2013 bis 08/2014
Ergebnis: Reihe von Videoclips, in der „Alterspioniere“ Technologien wie Mobiltelefone, Tablets, sensorgesteuerte Haushaltsgegenstände anwenden
Die Filme sind bei Youtube anzusehen
Partner: Kommunen Halberstadt und Wanzleben-Börde (Einrichtung, Infrastruktur); Hochschule Harz mit Prof. Birgit Apfelbaum, Prof. André Göbel, Prof. Ulrich Fischer-Hirchert und Thomas Schatz (wissenschaftliche Begleitforschung u.a. zu Beratungs-, Kommunikations- und Vernetzungskonzept); gefördert durch das BMBF
Zeitrahmen: 2014 bis 2016
arbeitet Prof. Birgit Apfelbaum unter Beteiligung weiterer Wissenschaftler aus dem Fachbereich Verwaltungswissenschaften der Hochschule Harz außerdem an einem bedarfsorientierten Handlungskonzept zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege von Angehörigen. Partner ist die Stadt Wernigerode; gefördert durch die Demografierichtlinie Sachsen-Anhalt „Wir gestalten Demografie“.
Hochschule Harz
Fachbereich Verwaltungswissenschaften
Prof. Birgit Apfelbaum
Tel.: 03943 – 659 435
E-Mail: bapfelbaum@hs-harz.de
Wernigeröder Wohnungsgenossenschaft eG (WWG)
Christian Linde
Tel.: 03943 – 55 320
Anfragen zu Forschungsprojekten mit der Hochschule Harz
Thomas Lohr
Tel.: 03943 – 659 814
E-Mail: tlohr@hs-harz.de